Samstag, 28. Februar 2009

Vorbestimmung oder Zufall?

Die ganze Zeit schrieb ich von meinem Weg als Sohn, der in die Fußstapfen seines Vaters trat. Wie sich dadurch meine berufliche und gesundheitliche Laufbahn entwickelte.
Dabei hat sich parallel dazu ein noch viel wichtigerer Weg gezogen. Hätte es den nicht gegeben, wäre ich hier sicherlich nicht so weit gekommen.

Es ist schon seltsam, wenn man den Weg mal verfolgt.
Sicher könnte ich weiter vorne anfangen, aber ich denke es reicht bei der Ausbildung zum Krankenpfleger einzusteigen.

Wir waren der erste Kurs, der auch im OP eingesetzt wurde. Das fand ich viel besser als die Arbeit auf Station. Es war klar, dass ich nach meiner Ausbildung in den OP gehen wollte.
Im OP lernte ich dann S. kennen. Ihr verpasste ich damals einen Unterschenkelgips. Sie war meine letzte Patientin an dem Tag und so entwickelte sich ein entspanntes Gespräch. Wir waren uns auf Anhieb sympathisch und konnten uns prima unterhalten. Während ihres Krankenhausaufenthaltes unterhielten wir uns noch häufiger. Später wurde es dann seltener. Zum Schluß tauschten wir etwa ein mal im Jahr unsere Neuigkeiten aus. Sie erzählte mir von Familie und Hunden, ich erzählte von meinen letzten Chaosbeziehungen.

Irgendwann meinte S. wohl die Sache in die Hand nehmen zu müssen. Wenn ich alleine nicht die richtige Frau finde, dann braucht der Jung halt Hilfe.


Da gab es die beste Freundin ihrer Tochter. Das ist ein gaaanz liebes Ding, die zufällig gerade Single geworden ist.

S. lud mich mal auf einen Kaffee zu sich nach Hause ein. Und siehe da! „Zufällig“ kam auch diese Christine zu Besuch.

Ja, sie war nett. Wir konnten uns gut unterhalten, entdeckten immer mehr Gemeinsamkeiten.

Wir unternahmen in der Folgezeit unheimlich viel zusammen.
Bei Christine entwickelten sich die Gefühle zu mir etwas schneller, als meine zu ihr. Ok, „etwas“ schneller ist untertrieben.

Erst nach zwei Jahren kapierte ich, was ich für Christine empfand. In ihrem näheren Umfeld begann man sich schon mit der Tatsache abzufinden, dass ich vom anderen Ufer sein müsste.
Ich schreibe von dem Gefühl absichtlich in der Vergangenheit, denn seither hat es immer mehr zugenommen.

Es ist phantastisch! Das ist wohl die Frau, die extra für mich gebacken wurde.
Ich wollte nieeee heiraten. Sie hat es geschafft, dass ich voller Freude mit einem Dauergrinsen zur Trauung schritt.

Aber es kommt noch besser. Ich ertappe mich immer öfter dabei an unseren Nachwuchs zu denken.
Freunde, die mich schon länger kennen, werden spätestens hier stark daran zweifeln, ob ich es bin, der diese Zeilen schreibt.

Ich muss mal ganz klar festhalten, dass ich ohne Christine an meiner Seite sicher nicht so weit und so lange durchgehalten hätte.
Die ganze Situation in der wir zur Zeit stecken, belastet Christine mindestens genauso stark wie mich. Aber wir geben uns gegenseitig den nötigen Halt.
Ich halte es nicht für selbstverständlich, dass meine Frau so stark sein muss. Aber ich bin unheimlich dankbar dafür, dass sie es ist.
Sie ist jederzeit für mich da. Wir können über alles reden. Wobei sie eher mal vermutet, dass ich ihr ein paar Sachen verheimliche um sie zu schonen.
Es ist gut und wichtig sich mit der aktuellen Situation und ihrer möglichen Entwicklung auseinander zu setzen. Das Thema beherrscht einen Großteil unserer Zeit. Aber irgendwann muss auch Zeit für die angenehmen Seiten sein. Daraus schöpfen wir beide immer wieder Kraft.

Als ich damals dazu verdonnert wurde den Nachmittag im Gipsraum zu verbringen, hätte ich niemals gedacht, dass damit die ersten Weichen für die wundervolle Zeit mit Christine gestellt würden.

Montag, 23. Februar 2009

Die Drainagen sind raus!

Juchuh! Die letzte Drainage wurde heute Morgen gezogen. Hat fast gar nicht weh getan.
Jetzt kann ich mich ohne Strippen wieder freier bewegen.

Heute ist der 3. Tag nach OP. Laut Statistik ist das auch der Höhepunkt der Schwellungen.
Ab jetzt soll das Abschwellen einsetzen. Das finde ich gut.

Zur Zeit geht das aber noch als Faschingsmaske durch.

Sonntag, 22. Februar 2009

OP überstanden

Heute ist der 22. Februar 2009. Die OP war vor zwei Tagen.

Um 11 Uhr wurde ich in den OP gefahren. Um 11:30 Uhr schlief ich schon tief und fest.
Um 16 Uhr erwachte ich im Aufwachraum und um 17 Uhr hatte ich schon ein Schädel-CT hinter mir und lag wieder auf Station. Nachdem ich wieder zu mir kam, erschrak ich erst mal, denn ich hatte keinen Druckverband an meinem Kopf. Was war los? Wu
rde die OP vorzeitig abgebrochen?

Bald kam der Operateur zu mir in den Aufwachraum und teilte mir mit, dass der Tumor komplett entfernt werden konnte.
Er ließ sich doch erstaunlich gut präparieren. Der obere Augenmuskel, der für die Aufwärtsbewegung des Augapfels nötig ist, war aber bis zum Anschlag verdrängt und gedehnt worden. Er konnte zwar erhalten werden, doch gilt es jetzt abzuwarten, ob er sich wieder erholt. Das wird so seine Zeit da
uern. Es kann sein, dass er sich nicht bis zu seiner ursprünglichen Länge verkürzt. Das könnte man dann aber operativ korrigieren.
Mal sehen.

Auf jeden Fall erst mal ein gaaanz dickes Dankeschön an alle, die mir die letzten Stunden die Daumen gedrückt und mich in
Gedanken begleitet haben. Es hat geholfen. Ich bin ganz gerührt. Ehrlich!

Die ersten drei Tage nach der Operation soll das Wundgebiet aber erst mal gehörig anschwellen. Das tut es gerade. Ich fühle mich als wäre ich vor eine Wand gelaufen. Schmerzen habe ich aber kaum. Der typische Wundschmerz, der ständig d
a ist. Aber der ist nicht schlimm. Mehr Bammel habe ich vor dem Ziehen der Redon-Drainagen. Ich hatte zwei Stück. Die liegen zwischen Schädelknochen und Kopfhaut und werden von der Stirn über die Schläfen bis hinter das Ohr geführt. Zum Glück werden sie ohne Sog gezogen. Gestern wurde die erste gezogen. War nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Aber eine ist ja noch drin.

Wenn ich den erwische, der den LKW gefahren hat!



Donnerstag, 19. Februar 2009

Also doch operieren

Da bin ich nun.
Am Dienstag, den 17.02. erreichte ich gegen 10 Uhr die Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in E..

Erst mal musste ich durch die Ambulanz. Dort wurden erste „Kennenlerngespräche“ geführt und meine MRT-Bilder von vor 4 Wochen be
trachtet.
Gegen Mittag wurde ich stationär aufgenommen.

Ich liege in einem 2-Bett-Zimmer das irgendwann zu einem 3-Bett-Zimmer umgerüstet wurde. Das dritte Bett steht eher mitten im Raum zwischen den anderen Betten und dem Waschbecken. Zugunsten des 3. Bettes wurde auf eine Dusche im Zimmer verzichtet.
Wenn ich aber um 6 Uhr aufstehe, habe ich die Dusche auf dem Gang für mich alleine.
Aber das sind alles Nebensächlichkeiten.

Am Dienstag passierte dann erst mal gar n
ichts.

Der erste Schock kam am Mittwoch bei der ersten Visite.
Zwei Ärzte standen vor mir. Einer machte gleich einen sy
mpathischen Eindruck und begrüßte mich auch per Handschlag.
Der andere machte einen anderen Eindruck. Er grüßte erst mal sehr verhalten. Baute sich in seinen OP-Klamotten mit übergestreiftem Kapuzenshirt vor mir auf und meinte, dass man das Auge und möglicherweise auch einen Teil des Schädelknochens um die Augenhöhle entfernen müsse um mich zu heilen.

Das hat mich erst mal sehr irritiert. Hatte ich doch gelernt, dass man nur beim ersten Auftreten eines Tumors weit ins Gesunde geht um den Tumor restlos zu entfernen. So, wie man es damals am Oberschenkel gemacht hat.

Wie will mich der Doktor mit dieser radikalen Methode vom Krebs heilen, wenn ich anderswo im Körper noch genügend Metastasen habe?
Toll, wenn mir Leute was erzählen wollen ohne meine Krankengeschichte zu kennen.


Zum Glück fand abends noch die Chefarztvisite statt.
Der Professor kam mit vorsichtig geschätzt 15 Leuten im Schlepptau ins Zimmer.

Er erzählte mir, dass Liposarkome eher selten sind und er bisher auch nur etwa sechs Stück am Kopf gesehen hat. Dabei ist meiner der Erste, den er in der Orbita sieht. Andere Tumore operieren sie da öfter.

Da ich auf dem Auge zu 100 % Sehkraft habe, fände er es unsinnig, dieses Auge vorschnell zu entfernen. Er würde versuchen den Tumor
so weit wie möglich (am besten ganz) raus zu präparieren. Sollte sich bei der Operation herausstellen, dass das Auge zur vollständigen Entfernung ebenfalls entfernt werden müsste, würde er dort abbrechen und eine Bestrahlung des Resttumors empfehlen. Auch wenn das Auge blind werden sollte, so ist es doch besser das Auge zu erhalten, als eine Plastik einsetzen zu müssen.

Ich war erleichtert, dann da dachten wir in die selbe Richtung.

Nachdem ich ihn darauf aufmerksam machte, dass die vorliegenden Bilder ja auch schon vier Wochen alt seien, fragte er erst mal seine Ärzteschaft, wa
rum noch keine aktuellen Bilder gemacht wurden.
Ab da ging alles ganz flott.
Heute Vormittag hatte ich schon gleich einen MRT-Termin.
Wie vermutet, ist der Tumor inzwischen dopp
elt so groß. 2,4 cm mal 3,5 cm! Das ist so groß, wie der Augapfel selber. Beide teilen sich jetzt den Platz in der Augenhöhle.

Ich habe unten mal zwei Bilder dazu. Zur be
sseren Darstellung habe ich sie etwas eingefärbt.

Blau = Augapfel
Rot = Tumor
Grün = Sehnerv
Gelb = Gehirn
Hier ist die Augenhöhle von der Seite zu sehen. Man kann deutlich sehen, wie der Tumor den Sehnerv bedrängt. Schwierig wird das spitz nach hinten gehende Ende des Tumors zu erwischen.

Bei diesem Bild schaut man von unten zum Kopf hoch.
Der Tumor ist ja in der rechten Augenhöhle.


Inzwischen habe ich schon einige Vorgespräche geführt.
Morgen will man mich operieren.

Dazu macht man einen sogenannten Bügelschnitt. Also einen Schnitt von rechten Ohr über den Kopf zum linken Ohr. Die Kopfhaut wird dann abgelöst und nach vorne weg geklappt.
Würde man einfach dort schneiden wo man hinein will, würden wichtige Gesichtsnerven durchtrennt. Danach könnte ich die rechte Gesichtshälfte nicht mehr bewegen und sie würde lasch herum hängen.

Wenn man nach dem Wegklappen die Sicht auf den Schädelknochen hat, wird der Knochen zwischen Auge und Ohr auf gesägt. So schafft man sich einen seitlichen Zugang in die Augenhöhle.
Anders kommt man an den Tumor nicht heran.
Ab da geht es dann mit dem Mikroskop weiter.
Ganz vorsichtig versucht man den Tumor stumpf (also ohne zu schneiden) vom darum liegenden Gewebe zu trennen. Ziel ist es dabei den eh schon in Bedrängnis geraten Sehnerven nicht zu beschädigen.

Wie auch immer die OP aus geht. Der Knochen wird wieder eingesetzt und verschraubt. Dann wird die Kopfhaut wieder über den Schädel gelegt und vernäht.
Die nächsten Tage habe ich einen großen Druckverband um und darf nur passierte Kost zu mir nehmen.

Nachdem die beste Ehefrau von allen davon gehört hat, hat sie sich kurzerhand entschieden zu mir ins Krankenhaus zu reisen. Da freue ich mich drauf.

Noch nie war ich vor einer Operation so aufgeregt. Den Bauch können sie mir ruhig wieder auf schneiden. Aber am Kopf herum sägen und dann noch in unmittelbarer Nähe vom Auge operieren? Ne! Das ist nicht meins.
Lieber würde ich wieder als OP-Pfleger auf der anderen Seite des Tisches stehen. Das habe ich auch dem Operateur gesagt.
Er will sich aber ganz große Mühe geben. Ich habe ihm auch gesagt, dass er sich ganz viel Zeit nehmen kann – ich hätte eh nichts besseres vor.

Auf jeden Fall bekomme ich von ganz vielen Seiten die Daumen gedrückt und es wird ganz doll an mich gedacht. Dafür bin ich echt dankbar!

Donnerstag, 12. Februar 2009

Aussichten

Heute war es so weit. Ich hatte meinen Termin in der Strahlenklinik in H..

Der Chefarzt dort, Herr Professor Z., erklärte mir folgendes:


Der Tumor hinter meinem Auge benötigt eine recht hohe Strahlendosis. Ich muss mit einer Bestrahlungsdauer von 5 – 6 Wochen rechnen.

Das umliegende Gewebe verträgt aber nur sehr wenig Strahlung.
Da wäre einmal der Sehnerv. Wenn der geschädigt wird, bin ich auf dem Auge blind.
Dann ist da die Linse in der Pupille. Wenn die kaputt geht, sehe ich auch nichts mehr. Wobei die sich operativ ersetzen lassen würde.
Zum Schluss nehmen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Tränendrüsen im Oberlid Schaden. Die sorgen dafür, dass das Auge feucht bleibt. Trocknet das Auge aus, ist es auch futsch.
Die Möglichkeit also, dass ich durch die Bestrahlung nicht nur den Tumor los werde, sondern auch mein Auge, ist sehr wahrscheinlich.
Tolle „Aussichten“.

Was jetzt?


Die Augenärzte in der Uniklinik D. haben Angst zu operieren, weil sie befürchten den Augenmuskel zu schädigen.


Nachdem ich das Für und Wider mit Herrn Professor Z. abgewogen hatte, entschied ich mich dafür eine zweite Meinung ein zu holen.

Doch bei wem?
Ich kenne keine Spezialisten für Tumore in der Orbita.


Ungefragt schlug mir Professor Z. vor, sich mal ans Telefon zu klemmen um sich um zu horchen. Es könnte aber etwas dauern.


Nach etwa einer halben Stunde kam er zurück und teilte mir mit was er erreicht hat.


Über viele Telefonate landete er zum Schluss in der Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in E.. Die Ärzte dort sind Deutschlands Spezialisten für Tumore in der Augenhöhle.

Dort habe ich nächsten Dienstag, am 17. Februar um 10 Uhr einen Termin.
Ich soll sicherheitshalber gleich ein paar Klamotten mit bringen.


Jetzt setze ich natürlich meine ganze Hoffnung in die dortigen Chirurgen.

Ich hoffe, dass die sich da ran trauen. Und wenn auch der Tumor nicht ganz entfernt werden kann, so ist vielleicht der Rest Gewebe so gering, dass mein Auge dann nur eine geringere Strahlendosis aushalten muss.

Ein Gutes hat der Termin aber auf jeden Fall. Ich muss an dem Tag dann nicht zu dieser Gerichtsverhandlung gegen meinen ehemaligen Steuerberater. Der hat nämlich zu unrecht über 3.000,- Euro von mir eingesackt. Da ich aber auf eine Privatinsolvenz zu steuere, hätte ich von dem Geld auch nichts mehr. (Schon wieder eine andere Geschichte)

Dienstag, 10. Februar 2009

schlaflos

Die letzten Tage und Nächte waren im wahrsten Sinne des Wortes bedrückend.

Bisher haben die Tumore nicht weiter den Tagesablauf gestört.
Ok, da war mal eine Schwellung, oder eben die Drainage die 6 Wochen lang im Weg hing.
Aber seit der Sache mit dem Auge werde ich ständig daran erinnert. Da ich nur noch aus einem Auge sehen kann, bin ich entsprechend eingeschränkt. Autofahren geht gar nicht.

Da ich erst im November mitbekommen habe, wie schnell der Tumor unter der Achsel gewachsen ist, und wie schnell mein Auge zu ging, habe ich ständig die Angst, dass die anderen Tumore genauso schnell wachsen könnten.


Inzwischen spüre ich nicht nur den Druck hinter meinem Auge ansteigen, sondern auch eine Druckzunahme in meinem Bauch. Und das liegt ganz sicher nicht am Essen.

Selbst in entspanntem Zustand fühlt sich mein Bauch dicker und fest an. Wobei sich der Bauchumfang in den letzten zwei Wochen nicht verändert hat.

Ich habe keine Bedenken, dass sich eventuelle Tumore im Abdomen gut entfernen lassen. Aber irgendwie sind mir das im Moment zu viele Baustellen.

Schließlich steht jetzt ja erst mal die Bestrahlung in der Augenhöhle an.

Der Druck im Bauch beschäftigt mich aber zur Zeit am meisten.

Besonders nachts, wenn ich im Bett liege und meine Gedanken freien Lauf haben.
Ich kann noch so müde sein und ins Bett fallen. Sobald ich ruhig da liege und den Bauchdruck spüre, schweifen meine Gedanken ab.

Nicht selten wandere ich dann ins Wohnzimmer auf die Couch aus und schaue irgendeinen Mist im Fernsehen. Irgendwann schlafe ich dann doch ein.

Christine hätte eigentlich gerne, dass ich sie dann wecke. Aber sie muss am nächsten Tag raus und zur Arbeit. Da möchte ich nicht, dass sie die halbe Nacht bei mir sitzt um mich zu beruhigen.


Die Hämatologen in der Uniklinik D. meinen, dass eine konventionelle Chemotherapie bei mir nichts mehr bringen würde. Die Tumore seien an zu vielen Stellen im Körper.

Statt dessen soll ein neues Medikament eingesetzt werden.
Das Zeug nennt sich Yondelis. Es ist erst seit Anfang 2008 auf dem deutschen Markt zugelassen. Das Medikament wird alle drei Wochen über 24 Stunden verabreicht. Und zwar so lange, bis ich es nicht mehr vertrage, oder es nicht mehr wirkt.
Es hat Nebenwirkungen wie eine Chemotherapie. Schädigt also Herz, Gefäße und Schleimhäute, und sorgt für Übelkeit. Dazu bekäme ich dann Kortison und Medikamente gegen Übelkeit.
Es kann mich nicht von der Tumorerkrankung heilen sondern sorgt bestenfalls für einen Wachstumsstillstand.
Ganz ehrlich? Das nimmt mir den letzten Rest Lebensqualität, befürchte ich.

Ich möchte nicht wahr haben, dass jetzt schon zur letzten Option gegriffen werden soll.

Mit den Chirurgen in der Uniklinik D. bin ich total zufrieden. Sie sind sehr freundlich und engagiert.
Die Hämatologen sind mir aber suspekt.
Frau Dr. H. war erschreckend emotionslos und ich fühlte mich bei dem Gespräch wie Patient Nr. 325 in der Warteschlange der hämatologischen Ambulanz.

Einen ganzen Vormittag habe ich mal versucht mit ihr telefonisch Kontakt auf zu nehmen. Ich kam an der Anmeldung nicht vorbei. Erst war sie gerade in einem Gespräch. Später war sie gerade nicht in ihrem Zimmer. Danach war das Telefon entweder besetzt oder es ging keiner mehr ran.
Also schickte ich ihr meine neuesten Befunde per Post und bat um Kontaktaufnahme. Nichts passierte.

up to date

Im November letzten Jahres habe ich mich während eines Krankenhausaufenthaltes entschlossen diesen Blog zu starten.
Ich musste weit ausholen um meine Erlebnisse seit 2005 nach zu tragen.
Nicht immer hatte ich die Muße dazu.
Einige Artikel förderten wieder Gefühle hervor, die ich lieber vergessen hätte.

Jetzt habe ich es geschafft und bin mit meinen Schilderungen in der Gegenwart angekommen.

Ich befürchte aber, dass sich jetzt auch mein Schreibstil etwas ändern wird.
Vergangenes lässt sich mit etwas Abstand doch emotionsloser bearbeiten.
Wer mich besser kennt weiß, dass ich meine Gefühle nicht immer offen nach außen trage. Aber schließlich habe ich das hier ja angefangen, um eine weitere Möglichkeit der Verarbeitung zu schaffen.

Jetzt werde ich das auch weiter durchziehen.

Viel auf Achse

Der Januar 2009 kam einem Spiessrutenlauf gleich.
Wie schon geschrieben, konnte am 7. Januar endlich die Drainage aus der rechten Axilla gezogen werden. Erfreulicherweise völlig schmerzlos. Ich habe da schon andere Erfahrungen gemacht.

Wegen meines hängenden Augenlids bekam ich eine Überweisung zum Neurologen.

Der erste Neurologe gab mir als frühesten Termin den 2. Februar. Das lag mir etwas zu weit in der Ferne. Bei einem anderen hatte ich dann schon am folgenden Montag einen Termin. Vielleicht weil ich die Sprechstundenhilfe noch aus meiner Zeit im Krankenhaus kenne.

Um die Sache abzukürzen liste ich das einfach mal auf:

12. Januar - Erstgespräch beim Neurologen – Der ordnet MRT HWS an.
15. Januar - MRT Halswirbelsäule – Da ist nichts Auffälliges.
16. Januar - Untersuchung beim Augenarzt – Die sind völlig in Ordnung.
22. Januar - Neurologe ordnet MRT Schädel an
22. Januar - MRT Schädel – Die waren wie immer super nett und haben mich gleich dran genommen.

Ergebnis:
In meiner rechten Augenhöhle sitzt hinter dem Augapfel ein Tumor. Der drückt auf die Augenmuskeln die für die Aufwärtsbewegung von Auge und Lid zuständig sind.


27. Januar – Gespräch mit Neurologe.

Da er mir nichts Neues erzählen konnte und ich möglichst schnell den Tumor los werden wollte, schicket ich meine Befunde direkt per Mail an Herrn Professor P. in der Uniklinik D..
In der Woche kam aber merkwürdiger Weise keine Antwort. Telefonisch erfuhr ich, dass der Professor selbst erkrankt ist. Also ließ ich mich mit dessen Vertretung verbinden. Da ich aber kein Privatpatient bin, leitete der mich an den Chirurgen Dr. T. weiter. Mit ihm konnte ich einen Termin für den 2. Februar ausmachen.

Ich fuhr also mit dem Zug am 2. Februar in die Uniklinik nach D..
Dort wurde ich in der Augenklinik vorgestellt.

Über zwei Stunden wurden an mir die unterschiedlichsten Augenuntersuchungen durchgeführt. Jeder meinte mit einer noch helleren Lampe in die Augen leuchten zu müssen. Zu allem Überfluss bekam ich dann noch Tropfen, die mich drei Stunden lang alles verschwommen sehen ließen. Super, wenn man eh nur noch mit einem Auge gucken kann. Das rechte Augenlid konnte ich inzwischen kaum noch anheben. Mit zwei Augen sah ich jetzt sowieso nur noch Doppelbilder.

Beim Abschlussgespräch wurde mir mitgeteilt, dass meine Augen völlig in Ordnung sind. Nur der Tumor würde Probleme machen. Ach ja? Das war ja was ganz Neues.


Bei der Lage des Tumors wird von einer operativen Entfernung abgeraten, da die Gefahr den Augenmuskel irreparabel zu schädigen zu groß ist. Dazu kommt, dass die Chefärztin die Einzige ist, die das operieren könnte. Die ist aber zur Zeit selbst krank.


Man beschloss meinen Fall noch in der gleichen Woche in einem interdisziplinären Tumorboard zu besprechen. Die im Krank befindliche Augenärztin wurde per Telefon dazu geschaltet.


Für Freitag, den 6. Februar wurde ich wieder in die Uniklinik einbestellt. Bis dahin ordnete die Augenklinik eine regelmäßigen Sehkontrolle beim nächsten Augenarzt an. Man befürchtet, dass der Tumor auf den Sehnerv drücken könnte. Bisher hat sich da nichts verschlechtert.


Am Freitag hat Dr. T. aus der Chirurgie das Unmögliche versucht.
Er hat für mich eine Rundreise durch das Klinikum organisiert. Ich sollte am gleichen Tag von der chirurgischen Ambulanz in die Strahlenklinik, zur Augenklinik, zum CT in die Radiologie, zur Klinik für Chemotherapie und zur hämatologischen Ambulanz.
Das hätte auch prima funktioniert. Leider musste ich vor der CT-Untersuchung eine Stunde lang Kontrastmittel trinken und kam erst verspätet dran, weil der Patient davor Schwierigkeiten machte.


Nach knapp acht Stunden in der Uniklinik wusste ich immerhin, dass der Tumor hinter dem Auge bestrahlt werden soll. Der nette Strahlendoktor suchte mit mir eine geeignete Einrichtung in meiner Wohnortnähe und machte direkt einen Termin für den 12.02. aus (zum Erstgespräch!).

Jetzt drückt's aber langsam.

Freitag, 6. Februar 2009

Ständig an der Leine

Der Tumor unter der Achsel wuchs also ungewöhnlich schnell.
Wöchentlich war selbst von außen eine Größenzunahme zu sehen. In der Achsel nahm das Fremdkörpergefühl zu. Eile war geboten.
Jetzt begann die Suche nach einer Klinik, die mich zeitnah operieren konnte.

Und wieder einmal kommt mein langjähriger Freund Mr. T. ins Spiel.

Er hat damals mit mir die Krankenpflegeschule besucht und sich seither stetig weiter- und fortgebildet. Schon 1984 viel er mir mit seinem unglaublichen Fachwissen auf. Inzwischen hat er sein Berufsfeld verlassen und betreibt mit seiner Frau zusammen eine eigene Praxis.
Vor seinem Wissen und seinem Wissensdurst habe ich größten Respekt. Die letzten Jahre konnte ich mich immer auf seine Unterstützung und seinen Rat verlassen.

So war er es auch, der diesmal die Weichen stellte, als er auf einem medizinischen Kongress einen Vortrag über Weichteilsarkome besuchte.
Direkt nach dem Vortrag schnappte er sich den Referenten, Professor P., und schilderte ihm meinen Fall. Kurz darauf hatte ich dessen eMail-Adresse um ihm meine Unterlagen zuzuschicken. Schon am nächsten Tag rief mich Prof. P. zu Hause an.

Er war unheimlich freundlich und machte mit mir direkt einen Termin zur stationären Aufnahme in der Uniklinik D. aus.

Drei Tage später traf ich dort ein.
Noch am selben Tag wurden alle restlichen MRT-Untersuchungen gemacht, für die ich sonst noch fünf Tage gebraucht hätte.

Am nächsten Tag wurde ich operiert.
Erfreulicherweise konnte der etwa faustgroße Tumor gut entfernt werden. Das war anfangs nicht ganz sicher, denn er lag sehr nah an den wichtigen Versorgungssträngen zum Arm. Meine Angst war, dass der Flurschaden ähnlich ausfallen könnte, wie bei der Oberschenkel-OP, die mir eine 80 %ige Gehbehinderung einbrachte.

Nach der Operation konnte ich den Arm ohne Funktionseinschränkung bewegen. Nur die Schulter ist auf der Rückseite etwas taub. Aber damit kann ich gut leben.
Da mir einige Lymphknoten mit entfernt werden mussten, wurde der Lymphfluss über eine Redon-Drainage aufgefangen. Jetzt sollte sich der nur noch verringern.
Sobald die Drainage nur noch 30 ml in 24 Stunden fördert, sollte sie gezogen werden.

Am 2. Dezember 2008 wurde ich entlassen. Mit Drainage.

Am 22. Dezember heiratete ich. Mit Drainage.
Weihnachten und Silvester verbrachte ich ebenfalls mit der Drainage unter dem Arm.
Regelmäßig wechselte ich selbst Flasche und Verband.
Die täglich geförderte Menge pendelte sich bei 100 ml ein.
So begleitete mich die Drainage auch auf unseren Kurztrip an die Nordseeküste.
In der Zeit verbrachten wir zwei Tage auf Helgoland. Vor der Überfahrt versorgte ich mich noch mit einer frischen Redonflasche. Und dann geschah das Wunder!
In den ganzen zwei Tagen Helgolandaufenthalt kamen gerade mal 50 ml Lymphflüssigkeit zusammen. Am 7. Januar 2009 wurde die Drainage gezogen. Die gefürchtete Schwellung des rechten Arms blieb aus.

So konnte ich mich endlich wieder frei bewegen, ohne ständig auf die lästige Strippe achten zu müssen.

Das heißt, nicht ganz. Denn seit Silvester machte mein rechtes Augenlid auf sich aufmerksam. Es ging nicht ganz so weit auf, wie beim linken Auge.


So zeichnete sich schon die nächste Baustelle ab.