Montag, 29. Juni 2009

OP überstanden

Am Montag wurde ich gleich morgens, gegen 7:30 Uhr in den OP gefahren. Da wurde nicht lange mit der Narkose gewartet.

Als nächstes erinnere ich mich nur wieder daran, dass ich wach wurde und noch durch den Tubus beatmet wurde.

War das ein scheiß Gefühl!

Jetzt wusste ich durch meine Ausbildung immerhin schon mal, was das sein konnte.

Man hat dieses Fremdkörpergefühl im Hals, bekommt aber trotzdem Luft. Keinen Laut kann man von sich geben und das Schlucken fällt schwer.

Irgendwo in der Nähe waren Stimmen zu vernehmen.

Um auf mich aufmerksam zu machen, klopfte ich mit der linken Hand auf meine Unterlage. Immer wieder.
Der rechte Arm lässt sich nicht einsetzen.
„Hey Leute, hört mich denn keiner? Ich bin wach!“
Das Druckgefühl im Hals nimmt zu.
Ich haue weiter auf die Unterlage neben mir.
Inzwischen habe ich wirklich das Gefühl eine Bowlingkugel im Hals zu haben. Wie soll die da bloß wieder raus?
Ein Anflug von Panik kommt auf.
Da höre ich Schritte näher kommen.
Kurz darauf bin ich wieder ohne Bewusstsein.

Als ich das nächste mal aufwache, kann ich normal atmen.
Ich spüre einen Verband um meinen Kopf und viele Schläuche und Leitungen um mich herum.
Rechts neben mir brodelt das Sauerstoffgerät.
Ich liege auf der Intensiv in einem Zimmer, das zum Aufwachraum erklärt wurde.
Wie ich erfahren habe, wurde ich etwa um 18 Uhr aus dem OP gefahren.

Als ich das erste Mal nach der Uhrzeit frage, freue ich mich. 4 Uhr – dann kann Christine mich ja doch noch mal sehen und sich überzeugen, dass es mir gut geht.

Von wegen. Es ist 4 Uhr nachts.

Obwohl ich in dem Zimmer völlig alleine liege, ist die Geräuschkulisse enorm.
Das Brodeln des Sauerstoffgerätes wandelt sich irgendwann und hört sich wie eine Spülmaschine an, die gerade Wasser pumpt.
In regelmäßigen Abständen scheint im Zimmer unter mir eine Waschmaschine zu schleudern.
Aber das ist alles nebensächlich.
Ich habe keine Schmerzen mehr!
Der Ausgang der OP ist mir fast egal. Mir ist nur eines im Moment wichtig – die Schmerzen sind weg!

Den Rest bekomme ich jetzt auch noch hin.

Donnerstag, 25. Juni 2009

Irgendwie

Irgendwie haben wir die Nacht herum gebracht.
Ich habe auf der Couch im Wohnzimmer gelegen, Christine auf der anderen und Wache gehalten.
Der Arzt am anderen Ende der Leitung in W. wundert sich, dass wir noch nicht unterwegs sind.
Stevie und Christine brachten mich zusammen mit dem Auto in die Klinik.
Ich erinnere mich noch, dass es ein furchtbares Gezuckel war. Viele Baustellen und Schlaglöcher.
Seit letztem Dienstag hat das Ziehen in der Leistengegend stetig zugenommen.

Ja, am rechten Oberschenkel ist auch wieder ein Tumor.
Irgendwie zieht der jetzt sehr blöd da unten, und irgendwie scheint sich das aber auch auf die linke Seite auszuwirken. Laufen geht jetzt also auch nicht so ganz aufrecht.

Das Wörtchen „irgendwie“ taucht ständig auf. Das passt. Denn ich habe für die Tage bis zur OP keine Struktur vor Augen. Ich weiß nur, dass es mir am besten ging, wenn ich beide Augen geschlossen hatte und sie nicht bewegte. Sicher war ich auch durch die Schmerzmittel ziemlich neben der Spur.

Am 27. Juni hatten Christine und ich unser Jubiläum.
Jetzt sind wir offiziell über 5 Jahre zusammen. Christine schlägt sie alle!

Und am Nachmittag gingen im rechten Auge die Lichter aus.

Mittwoch, 24. Juni 2009

Voltaren hilft nicht

Die Schmerzen haben zugenommen.

Es fällt mir sogar jetzt noch schwer davon zu schreiben, wenn ich nur daran denke. Ich trage das hier ja etwas zeitversetzt nach und bin jetzt schmerzfrei, aber vergessen werde ich die wohl noch nicht so schnell.

Inzwischen wird der Augapfel ständig fest an den Knochenrand der Augenhöhle gepresst.
Von vorne drückt der Knochen, von hinten der Tumor. Dazu werden die Muskeln hinter dem Auge kräftig gedehnt. Ich habe das Gefühl, mir platzt der Schädel. Bloß nicht bewegen.

In gebückter Haltung bin ich in der Küche mit dem Kopf gegen eine Ecke eines Hängeschrankes gelaufen. Das war mal richtig gut. Endlich ein anderer Schmerz. Das klingt vielleicht bescheuert. Aber ich kann die Leute verstehen die vor Schmerzen den Kopf gegen die Wand hauen.
Mir ist auch danach.

Ich versuche die Sache mal ein wenig abzukürzen.

Die Schmerzen werden stärker und irgendwas muss geschehen.
Die Klinik in F. stellt mir Rezepte mit stärkeren Schmerzmitteln aus und will gleich für den nächsten Tag eine Aufnahme in W. organisieren.
So weit kommt es aber nicht mehr.
Noch in der gleichen Nacht wird mit dem diensthabenden Arzt in W. telefoniert. Wir sollen uns um 9 Uhr am nächsten Morgen wegen der Aufnahme noch mal telefonisch melden, er will alles in die Wege leiten.

Dienstag, 23. Juni 2009

In der Ambulanz

Pünktlich um 9:30 Uhr komme ich in der neurochirurgischen Ambulanz der Uniklinik W. an.
Mein Schwager Stevie hat sich wieder einmal als hervorragender Fahrer bewiesen und sich für die Wartezeit mit genügend Lesestoff ausgerüstet. Die neun Stunden von neulich haben ihren Eindruck hinterlassen.
Dazu kam es diesmal aber nicht.

Erstaunlich schnell wurde ich von einer Ärztin zum Gespräch geholt. Nachdem ich wieder meine ganze Geschichte zu Protokoll gegeben hatte, wurde ich noch der Frau Professor M. vorgestellt. Sie meinte, dass der Zugang zu dem Tumor nicht all zu schwierig sein sollte. Natürlich wird auch wieder auf die Risiken hingewiesen.
Sofort aufgenommen kann ich aber nicht werden. Alle Stationen platzen aus ihren Nähten. Die Aufnahme ist für Mittwoch, den 1. Juli und die Operation dann für Freitag den 3. Juli geplant.

Irgendwie scheint mir keiner zu glauben. Ich rede die ganze Zeit davon, wie schnell das Tumorgewebe beim Tumor davor gewachsen ist, und wie schnell der Druck auch dieses mal wieder zunimmt. Außerdem sieht man doch auf den inzwischen über 10 Tage alten Aufnahmen, dass bereits der Sehnerv in Bedrängnis ist.
Aber mit der entsprechenden Schmerztherapie soll das machbar sein.
So lange ich nichts merke brauche ich auch keine Angst haben, oder was?

Ich bekomme Voltaren mit. Das soll helfen.

Montag, 22. Juni 2009

Neue Anlaufstelle

Heute morgen brachte mich Christine wieder in die Klinik nach F..

Bisher passierte aber nicht viel. Ich bekam meine Cortison-Infusion, Frühstück und Mittagessen und ein kurzes Gespräch mit einem Stationsarzt.

Dafür telefonierte ich mit dem Oberarzt aus E., der mich im Februar schon am Auge operierte. Die haben die damaligen Tumoraufnahmen mit den aktuellen verglichen und bieten eine erneute Operation an. Mit den möglichen Risiken natürlich.

Zur Mittagszeit hatte ich noch das angekündigte Gespräch mit dem Professor aus L..

Er hat mir als Anlaufstelle mit hervorragendem Ruf die Uniklinik in W. empfohlen. Er gab mir direkt die Telefonnummer des dort zuständigen Professors.

Morgen um 9:30 Uhr bin ich in die Sprechstunde mit rein gerutscht.

Es handelt sich dort um die neurochirurgische Klinik, die eng mit der HNO- und Augenklinik zusammen arbeitet. Zusammen sollten sie für alle möglichen Schädeleingriffe gut gerüstet sein.

Meine Onkologin aus M. hat mir bereits vorab eine Überweisung und den aktuellsten MRT-Bericht zugefaxt.

Inzwischen habe ich das auch mit der Klinik hier abgesprochen.

Ich bekomme alles für die morgige Cortison-Infusion zusammen gepackt. Dann kann ich sie mir morgen früh zu Hause selbst anhängen und anschließend nach W. fahren.

Sicherheitshalber nehme ich gleich den gepackten Koffer wieder mit. Man kann ja nie wissen.

Auf jeden Fall hole ich mir so wieder eine weitere Meinung ein. Das hat noch nie geschadet.

Sonntag, 21. Juni 2009

Welcher Weg ist der Richtige?

Am 18. Juni rufe ich gleich morgens in der am nächsten zu meinem Wohnort liegenden Klinik an, die Chemotherapien auch ambulant durchführen.
Die Klinik in F. hat einen guten Ruf und ist etwa 44 km von zu Hause weg.
Meine Krankenkasse, die mir die Adresse der Klinik gegeben hat, nennt mir auch gleich ein Taxiunternehmen in meiner Nähe, welches die regelmäßigen Fahrten abrechnen kann.

Am 19. Juni um 11:30 Uhr habe ich einen Gesprächstermin mit der dortigen Onkologin Frau Dr. D..
Sie rät mir von einer herkömmlichen Chemotherapie, wie ich sie bisher schon bekommen habe, eher ab. Gerade das Adriamycin schädigt in hohem Maße das Herzkreislaufsystem. Also die Pumpe. Ich habe also die Aussicht auf möglicherweise kleinere Tumor und dafür einen Herzschaden.
Wie schon Ende letzten Jahres von der Uniklinik in D. geraten, schlägt mir nun auch Frau Dr. D. eine Behandlung mit Yondelis vor. Das Medikament, das ab da alle drei Wochen als 24-Stunden-Infusion verabreicht wird und das Tumorwachstum stoppen soll.

Da ich wieder mal deutlich gemacht bekomme wie schnell die Dinger wachsen und man nicht weiß, wo man zuerst das Messer ansetzen soll, sehe ich das Angebot inzwischen in einem anderen Licht.

Ich werde noch am selben Tag stationär in der Klinik aufgenommen und habe bis zum Abend bereits Gespräche mit dem Professor der Abteilung, einem Neurochirurgen und zwei HNO-Ärzten geführt.
Aktuelle Bilder und Untersuchungen werden benötigt um Genaues planen zu können. Aber es ist Freitag und laut Aussage des Professors läuft am Wochenende nichts in Deutschlands Kliniken.

Um die Schwellungen am Auge zu reduzieren bekomme ich 40 mg Cortison über meinen Port. Dazu ein stärkeres Schmerzmittel, das mir endlich wieder eine ruhige Nacht beschert. Danach geht’s wieder nach Hause. Am Samstag und Sonntag darf ich einmal täglich ins Klinikum um mir meine Medikamente und die Portion Cortison abzuholen.
Jetzt ist es Sonntag Abend und morgen früh gegen 7 Uhr werde ich erst mal auf Station bleiben. Dann wird erst mal die Diagnostik starten und möglicherweise auch die erste Gabe des Yondelis stattfinden.
Nach dem Hin und Her der letzten Tage will ich mich da aber nicht so darauf verlassen.

Zur Zeit sieht es so aus, als ob mir das Yondelis die Zeit verschaffen kann, um mich um die vorhanden Metastasen zu kümmern. So kann zumindest mit dem Ziel das Auge zu erhalten, vielleicht ein Teil des Turmors dahinter entfernt werden.
Die Klinik hat bereits gute Erfahrungen mit der Yondelis-Therapie gemacht. Es gibt sogar Patienten, die über zwei Jahre einen Wachstumsstillstand erlebt haben. Ich kann also nur hoffen, dass das Mittel bei mir genauso gut anschlägt. So habe ich vielleicht die Zeit mich der größeren Tumore nach und nach zu entledigen. Außerdem kann ich mich dann voll und ganz auf die Synergetik-Therapie stürzen.
Jetzt gilt es noch die richtige Klinik zu finden, die mein Auge bestmöglichst operieren kann. Hoffentlich gerate ich bei der Suche danach an die richtigen Ärzte. Es gibt immer welche, die nicht über die Mauern ihrer eigenen Klinik hinaus schauen können, sich selbst über- und andere Institutionen unterschätzen. Mir ist doch egal, ob der richtige Operateur 5 oder 500 km von mir weg ist. Hauptsache das Ergebnis stimmt.

Morgen wird sich also so einiges tun. Zusätzlich werde ich noch ein Gespräch mit dem Oberarzt aus E. und dem Professor aus L. führen. Ich will möglichst viele Vorschläge und Meinungen hören, damit ich nicht das Gefühl habe mich blind auf irgend etwas eingelassen zu haben.

Das Wort „blind“ gewinnt immer mehr an Bedeutung.

Mittwoch, 17. Juni 2009

Pustekuchen!

Am 8.05. hatte ich mein Schädel-CT. Laut Radiologen ist kein Tumor im Kopf zu entdecken. Lediglich in der rechten Augenhöhle seien Strukturen zu erkennen, die wohl Narbengewebe der vorangegangen Operation sind.
Pustekuchen! Wie sich inzwischen herausgestellt hat.

Am Wochenende zum 6. Juni bemerkte ich einen zunehmenden Druck hinter dem rechten Auge. Da gerade mal 4 Wochen noch kein Tumor da gewesen sein soll, schöpfte ich noch keinen Verdacht und machte erst mal einen Termin beim Augenarzt aus. Also erst zum Hausarzt, eine Überweisung für den Augenarzt holen und dort einen Termin machen. Ich ging einfach mal hin und kam sogar gleich noch am selben Tag dran. Es ist Dienstag, der 9. Juni. Die Sehkraft liegt auf beiden Augen bei 100 %, aber der Augendruck rechts ist etwas erhöht. Noch kein Grund zur Panik. In vier Wochen soll ich noch mal zur Kontrolle kommen.
Ich traue der Sache aber nicht und habe bereits für kommenden Freitag einen Termin bei meiner Onkologin gemacht. Mit ihr möchte ich auch die von Professor P. vorgeschlagene Chemotherapie besprechen und in die Wege leiten.
Am Freitag, den 12. Juni bin ich also bei der Onkologin. Wir sind uns einig, dass eine Chemotherapie auf jeden Fall notwendig ist, um eine weitere Ausbreitung der Tumore zu unterdrücken. Da ich schon mal da bin, bekomme ich gleich eine Bisphosfonat-Infusion um die Knochen zu stabilisieren.
Um dem Druck hinter dem Auge auf den Grund zu gehen, bitte ich sie mir möglichst zeitnah einen MRT-Termin zu beschaffen. Es klappt, und ich bekomme noch am gleichen Tag die Aufnahmen.

Leider mit einem erschreckenden Ergebnis.
Die ganze Augenhöhle ist wieder mit Tumorgewebe angefüllt. Diesmal ist es aber nicht nur ein Tumor, sondern mehrere Knoten. Die liegen natürlich auch wieder ungünstig und verdrängen langsam wieder den Sehnerv.
So was erfährt man natürlich Freitag Abends um 17 Uhr.

Ich beschließe gleich am kommenden Montag Morgen in der Klinik auf der Matte zu stehen, die im Februar den ersten Tumor hinter dem Auge entfernt haben.
In der Ambulanz macht man mir schon von Anfang an keine großen Hoffnungen. Durch die Vor-OP und das dadurch entstandene Narbengewebe wird eine zweite Operation sehr erschwert. Die Gefahr die Funktion des Auges zu zerstören ist besonders hoch.
Aber da heute Montag ist, ich morgen Geburtstag habe und der zuständige Oberarzt erst am Mittwoch wieder bei der Visite zu sprechen ist, bekomme ich einen stationären Aufnahmetermin für Mittwoch um 9 Uhr.
Hmmm, nun gut. Wir fahren die 250 km wieder nach Hause. Da schläft sich eh am besten. Nur der Druck wird stärker und ich greife zu einer Kombination aus Novaminsulfon und Tramal um die Schmerzen zu lindern. Es gelingt einigermaßen. Abends und nachts ist das Druckgefühl am intensivsten.

Am Mittwoch fährt mich mein Schwager wieder mit dem Auto in die Klinik nach E.. Um kurz nach 6 Uhr geht es los, damit wir pünktlich um 9 Uhr die 250 km hinter uns haben. Kurz nach 8:30 Uhr versucht mich die Station anzurufen um mir mitzuteilen, dass kein Bett frei wäre und ich erst am Donnerstag zu kommen brauche.
Die wissen doch genau aus welcher Ecke Deutschlands ich anreise. Glauben die, ich komme mit einer Rakete?
Ich stehe jedenfalls pünktlich um 9 Uhr auf der Matte und werde erst mal bis 16 Uhr vertröstet. Der Oberarzt steht noch im OP und kommt dann zur Visite.
Um 16 Uhr bin ich auf Station. Der Oberarzt nicht. Er beginnt seine Visite um kurz nach 17 Uhr.
Warum spricht er eigentlich nicht erst kurz mit mir? Er weiß doch, wie lange ich hier schon herum sitze. Seine Patienten auf Station laufen ihm sicherlich nicht gleich davon. Die können wenigstens im Bett liegen. Ich bin hundemüde.
Um 18:30 Uhr bin ich dann dran.
Ich bekomme die gleichen Schwierigkeiten in Aussicht gestellt, wie schon am Montag in der Ambulanz. Man würde operieren. Aber dann am liebsten gleich das gesamte Auge entfernen. Ob ich dann mit einem künstlichen Auge oder gleich mit einer Epithese ausgestattet werde, ist nicht sicher.
Als einzigen Weg das Auge noch zu erhalten, wird nun doch zuerst zu der Chemo geraten. Das schnelle Wachstum des Tumors zeigt, dass es sich um sehr schnell teilende Zellen handelt. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass eine Chemotherapie auch schnell Wirkung zeigen kann.
Bestenfalls schmilzt der Tumor unter der Chemo weg und das Auge ist vorerst gerettet.
Ich soll also so schnell wie möglich einen Termin zur Chemotherapie anstreben und werde nach Hause entlassen.