Samstag, 25. Juli 2009

Die Zeit drängt

Gestern hatten Christine und ich ein sehr ausführliches, langes und ernstes Gespräch mit dem Radioonkologen und Stahlentherapeuten Herrn Dr. H.-M..
Er kennt alle Befunde und weiß wo überall Metastasen sitzen. Deshalb konnte er auch durchaus verstehen, dass ich inzwischen nicht mehr so versessen darauf bin jede einzelne im Bild zu sehen.

Trotzdem kamen wir um die Betrachtung eines bestimmten Befundes nicht herum.
Es geht wieder um die rechte Augenhöhle, aus der ja bekanntlich am 29.06.09 alles Sichtbare an Tumorgewebe entfernt wurde.
Erschreckenderweise hat sich das Tumorgewebe diesmal keine vier Monate Zeit gelassen um wieder nach zu wachsen. Es hat diesmal nicht mal mehr vier Wochen gebraucht, um die Augenhöhle wieder zu füllen. Von wegen Hämatom hinter dem Auge.

Das macht Angst.

Eine reine operative Entfernung des Tumorgewebes bringt also dort nichts mehr. Schließlich kann man nicht ewig operieren.
Das Gewebe soll bestrahlt werden.
Doch wie? Das Strahlungsfeld hat mindestens die Größe einer Birne. Das heißt aber noch nicht, dass die Strahlung außerhalb dieses Bereichs keinen Schaden mehr anrichtet.

Wie schon mal erwähnt, benötigt das Tumorgewebe eine sehr hohe Strahlendosis, und das darum herum liegende Gewebe verträgt das nicht unbedingt. Zu diesem Gewebe gehört bei dem Radius jetzt leider auch mein gesundes Auge auf der linken Seite.
Würde man also jetzt das vorhandene Tumorgewebe bestrahlen, kann ich davon ausgehen, dass mein gesundes Auge ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wird. Zumindest mit einer Linsentrübung ist zu rechnen. Was wiederum später eine Operation am linken Auge nötig macht, um die Sehfähigkeit zu erhalten.

Wir sind zu folgendem Entschluss gekommen.

Die Strahlendosis kann nur reduziert werden, wenn auch weniger Gewebe zu bestrahlen ist. Also muß das weg.

Aus dem Grund werde ich wieder in die Uniklinik W. gehen um dort so viel wie möglich Tumorgewebe aus der Augenhöhle und darum herum entfernen zu lassen. Dabei wird natürlich, wie schon befürchtet auch das Auge entfernt. Aber mit dem Gedanken habe ich mich ja schon länger anfreunden dürfen. Gewisse Sachen verlieren doch irgendwann ihren Schrecken.
Ich weiß leider noch nicht, ob die Klinik W. diese Operation durchführen will und kann. Der letzte Eingriff war schon sehr heikel.

Jedenfalls wurde alles für eine Verlegung in die Wege geleitet. Aus der Klinik F. wurde ich über das Wochenende erst mal beurlaubt. Zu Hause wäre ich für die zwei, drei Tage besser aufgehoben.
Jetzt warte ich auf einen Anruf aus der Uni W., der spätestens am Montag erfolgen sollte.

Sollte die Operation dort durchgeführt werden, muss ich danach noch warten, bis die frische Wunde wieder Narbenbildung zeigt. Dann kann mit der Bestrahlung begonnen werden.

Somit sind die Tumore in der Lunge und sonst wo erst mal wieder zweitrangig geworden.
Ich hoffe, dass uns das nicht alles über den Kopf wächst. Bei jedem Befund wird noch eines drauf gesetzt. Wo soll das hin führen? Irgendwann ist Schluss. Und davor haben wir eine riesen Angst.
Inzwischen reden selbst die Ärzte davon, dass ich nicht aufgeben soll auch an Wunder zu glauben.

Christine und ich sind inzwischen bis an unsere Grenzen angespannt. Natürlich wollen wir nicht aufgeben. Aber die einzelnen Treppenstufen zum Ziel scheinen immer zahlreicher und kleiner zu werden. Wir schauen inzwischen nur noch von Stufe zu Stufe.

Jetzt ist wichtig, dass das Yondelis greift und eine weitere Verbreitung der Metastasen zumindest verlangsamt. Nur so habe ich eine Chance Zeit zu gewinnen.

Donnerstag, 23. Juli 2009

Festhalten

Das Personal hier im Klinikum ist durchweg sehr nett.
Da zur Zeit Schulferien sind, wirkt sich das auch auf die Belegung der Zimmer aus. So bekam ich ein 3-Bett-Zimmer für mich ganz allein. Das heißt nicht ganz. Es wurde Christine sogar angeboten im Nachbarbett zu schlafen. So schob die Schwester zwei der Betten zusammen und besorgte und auch noch Kekse, Joghurte und was zum Trinken.
Die Nacht war allerdings, besonders für Christine, eher unruhig. Christine hatte ständig ein Auge auf mich und bekam vielleicht gerade mal eine Stunde Schlaf zusammen.

Eigentlich wird nicht sehr viel gemacht. Ich bekomme seither höher dosiert diese Blut verdünnenden Mittel und soll jede Veränderung sofort melden.

Die Kurzatmigkeit hat nachgelassen. Bei Anstrengung ist sie natürlich schnell wieder da.
In der Zeit meines Aufenthaltes hier werden weiter bildgebende Untersuchungen gemacht, um Ausgangsbilder zu haben, an denen man den Therapieerfolg verfolgen kann.

Am Mittwoch wurde ich sogar in ein Einzelzimmer verlegt. Für Christine wurde wie völlig selbstverständlich ein zweites Bett dazu gestellt, in dem sie seither übernachtet. Eigentlich hat mich das etwas stutzig gemacht. Das die Frau beim Patienten übernachten darf, hat im Krankenhaus einen etwas eigenartigen Beigeschmack.

Dieser Geschmack hat sich nach der letzten Visite, die gerade war, verstärkt.
Der Chefarzt der Tumorklinik klang alles andere als zuversichtlich.
Das ist wieder mal einer von der Sorte, die kein Lächeln auf die Lippen bekommen. Mit ernster Mine verkündete er mir, dass meine Lunge so voller Tumore wäre, dass man stellenweise nicht weiß, was was ist. Ein Tumor wäre sogar an die 15 cm groß. Das dadurch natürlich die Lungenkapazität eingeschränkt wird, ist klar. Dazu kommen noch diverse kleine Embolien.
Ein operatives Entfernen der größeren Tumore hält er für unsinnig. „Da macht man nichts mehr“ war sein einfühlsamer Kommentar.
Na toll! Als er dann noch die Wirkung des Yondelis in Frage und bestenfalls einen langsameren Wachstum der Tumore in Aussicht stellte, verschwand erst mal eine große Menge an Zuversicht aus dem Zimmer.
Und bei allem saß Christine dabei und machte sich ihre eigenen Gedanken dazu.
Noch nie bekam sie eine so niederschmetternde Diagnose aus erste Hand zu hören.
Unterm Strich klang das alles nach entweder einem die nächsten zwei Jahre langsamen dahin Siechen oder einem plötzlichen Ende durch irgendeine Komplikation. Deshalb hat er mir auch schon nahe gelegt mich bis nächste Woche unter stationärer Aufsicht zu behalten. Dann sehen wir weiter.

Wir halten jetzt aber an der Zuversicht von Frau Dr. D. fest, die Ihrer Yondelis-Therapie mehr zu traut. Zusätzlich wird noch immer ein Termin bei einem Dr. R. in der Nähe von Berlin angestrebt. Der betreibt eine Klinik an der man noch etwas weiter denkt und auch neue Wege geht.

Dienstag, 21. Juli 2009

Wieder stationär

Heute hatte ich einen Termin in einer radiologischen Praxis in F., zum Schädel-CT. Der Termin war eher für die Füß'.
Man entschied sich vorerst für ein CT des Schädels, weil mir bei der letzten Operation ein Metallteil am Rand der Augenhöhle eingeschraubt wurde. Im MRT hätte das evtl. zu stark abgestrahlt und keine klaren Bilder gezeigt. Wie sich aber herausstellte, ist das Schräubchen so klein, dass es kaum stören sollte.

Der Bereich hinter meinem rechten Auge ließ sich auf der CT-Aufnahme nicht klar definieren. Überhaupt meinte der Radiologe, dass er damit nichts anfangen könnte, da er mich und meine Vorgeschichte bzw. die Voraufnahmen nicht kennen würde. Ein Termin für ein MRT wurde ausgemacht.

Schon auf dem Weg zurück zum Auto wurde ich ziemlich kurzatmig. Ich schnaufte als würde ich im Dauerlauf zum Parkplatz joggen. Aber das kannte ich ja schon von vorangegangenen Chemos.
Nachdem das aber selbst abends auf der Couch nicht besser wurde, machten wir uns Gedanken.
Unter Nebenwirkungen des Neulastas wurden diese in seltenen Fällen als Komplikation aufgeführt. Es sollte umgehend ein Arzt konsultiert werden.

Zum Glück hatte meine Onkologin Dienst und bestellte mich gleich in die Klinik ein um eine Lungenembolie auszuschließen.

Da es gegen 20 Uhr war, fuhr mich Christine direkt in die Notfallaufnahme. Da bekam ich sofort eine Liege zugewiesen, Blut abgenommen und ein EKG gemacht. Nach einigen Untersuchungen und einem Thorax-CT (CT der Lunge) stellte sich heraus, dass sich in meiner Lunge inzwischen etwa 10 zum Teil recht große Metastasen befinden. Zusätzlich aber auch mehrere kleine Embolien, die aber auch schon älter zu sein scheinen.
Ich bekam sofort ein Blut verdünnendes Mittel angehängt und wurde stationär aufgenommen.
Seither befinde ich mich hier im Klinikum F. wieder auf Station.

Freitag, 17. Juli 2009

Neue Zeitrechnung

Es ist der Tag, an dem die Chemotherapie mit Yondelis startet.
Wie schon erwähnt, hält die Onkologin hier im Klinikum F. eine erneute Chemotherapie mit Adriamycin und Ifosfamid für eher schädlich, als hilfreich.
Das Adriamycin ist, wie man so schön sagt „kardiotoxisch“. Bedeutet übersetzt „giftig für's Herz“. Nutzen und Schaden würden in keinem günstigen Verhältnis zueinander stehen.
Mit Yondelis habe man aber sehr gute Ergebnisse erzielt.
Ziel ist es somit erst mal das Tumorwachstum zu verlangsamen oder noch besser zu stoppen. Das hängt jetzt ganz davon ab, wie das Mittel anschlägt.

Natürlich hatte ich erst mal richtig Schiss vor dem Mittel. Zu lebendig ist noch die Erinnerung an die letzte Chemo.


Das Medikament wird in ca. 24 Stunden durch einen selbst entleerenden Beutel verabreicht. Dieser Beutel befindet sich in einem Behälter, der stark an eine Trinkflasche für Babys erinnert. Über meinen Port angeschlossen nehme ich die Flasche dann mit nach Hause.

Am nächsten Morgen war die Flasche leer und ich konnte sie ab stöpseln.
Dank des ausführlichen Medikamentenplans ist genau geregelt, wann ich welches Medikament einnehmen soll. So auch etwas gegen die Übelkeit.
Die hielt sich erfreulicherweise sehr in Grenzen.
Die eigentlichen Nebenwirkungen traten erst nach drei Tagen hervor.

Am Montag sollte ich mir noch eine Spritze Neulasta verabreichen. Durch das Yondelis geht die Anzahl der weißen Blutkörperchen zurück. Um dem entgegen zu wirken ist diese Spritze. Da hiernach mit Knochenschmerzen zu rechnen ist, sollte ich vorher noch ein Schmerzmittel nehmen. Die Schmerzen blieben aus. Doch dafür wurde ich kurzatmig.

Mittwoch, 8. Juli 2009

Morgen geht's heim

Jetzt bin ich leider nicht mehr alleine im Zimmer. Ein 82 Jahre alter Herr mit gelegentlichen Schmerzen in den Beinen ist dazu gekommen. Das war eine Nacht.
Dann läuft er zu Hochtouren auf.

Erst mal eine ganze Weile rum wälzen.
Aufstehen, Bett verstellen, hinlegen, rum wälzen, aufstehen, Bett verstellen, u.s.w. ...
Um 2 Uhr aufstehen und an den Schrank gehen. Schließfach aufschließen und Schlüsselbund in die Hosentasche stecken. Wieder hinlegen.
Gleich wieder aufstehen und den Schlüsselbund wieder in den Schrank schließen.
Ins Bett legen, herumwäzen, aufstehen, Bett verstellen, wieder hinlegen, .... Ihr wisst schon ...
Um 4:30 Uhr wieder aufstehen und an den Schrank gehen. Tasche raus nehmen und Kleiderbügel abräumen. Alles in die Tasche packen und mehrmals den Inhalt kontrollieren.
Nebenbei venösen Zugang ziehen und zur Nachtschwester gehen.
Nachtschwester verbindet den Arm und macht das Bett neu. Dabei lautstarke Diskussionen über Sinn und Unsinn eines venösen Zugangs.
6:30 Uhr Nacht rum.

Seit der OP ist eher Warten angesagt. Erst nach 10 Tagen werden die Fäden gezogen. Das ist morgen, und dann darf ich nach Hause. Bis es so weit ist, wird die Zeit totgeschlagen. Ich lese, döse, esse und surfe im Internet. Immerhin wurde mir angeboten schon mal einen Teil der bildgebenden Untersuchungen zu beginnen. Das spart Zeit für die nachfolgenden Therapien.

Am 6. war das CT von Thorax und Abdomen dran. Meine Güte, die haben jeden Zugang für Kontrastmittel genutzt.
Erst durfte ich einen Liter von dem grausamen Zeug trinken, dann haben sie mir noch einen Schlauch in den Allerwertesten gesteckt. Und als ob ich noch immer nicht genügend mit Kontrastmittel aufgefüllt wäre, kam unter der Untersuchung noch eine Ladung über die Vene hinein.

Die eigentlich noch gewollte MRT-Untersuchung vom Becken klappt leider hier nicht mehr. Zu groß ist der Andrang auf das Gerät.

Immerhin wurde von hier aus schon mal ein Termin für das Klinikum in F. ausgemacht. Dort werde ich dann wohl die Chemotherapie in Angriff nehmen.
Ich würde gerne davor weg laufen. Aber das bringt nichts. Ich merke, wie es in mir immer mehr drückt. Da mag mir auch die Psyche noch zusätzlich einen Streich spielen. Aber die vorhandenen Tumore sind eben nicht wegzudenken. Gerade, wenn man einen Teil davon schon von außen sehr gut tasten kann. Verdammt, wachsen die schnell!
Manchmal habe ich das Gefühl in mir drinnen habe ich kaum noch Platz. Da kommt dann dieses Beklemmungsgefühl hoch.
Naja, jetzt heißt es dran bleiben, die Dinger mit allen Mitteln verkleinern und rausschneiden lassen.

Freitag, 3. Juli 2009

Allein im Zimmer

Die letzten Tage war es ganz schön warm hier. Mein Bettnachbar hatte ein Thermometer in der Uhr – 27,3 °C.

Heute war wohl eine große Entlassungswelle.
Seit dem Mittagessen habe ich das 3-Bett-Zimmer für mich alleine.

Die beiden hier im Zimmer waren sehr angenehme Mitpatienten. Der eine war Handelsvertreter für Friseurartikel aus der Nähe von Rothenburg ob der Tauber, und der andere ein Winzer aus Bad Mergentheim.

Ich genieße aber auch jetzt alleine im Zimmer zu sein.
Am Nachmittag kam das lange ersehnte Gewitter.
Ich bin mit dem Bett ans Fenster umgezogen und eine kühle Brise weht um mich. Und keiner ist da, der sich über den Zug beschwert.


Zur Zeit bekomme ich keine Schmerzmittel mehr. Das Schmerzpflaster ist seit gestern nicht mehr drauf und die übrigen Schmerzmittel habe ich aussortieren lassen. Und siehe da, es sind auch keine Schmerzen mehr gekommen.
Jetzt muss nur meine Birne wieder abschwellen und sich farblich dem Rest anpassen.


Über das Wochenende verliere ich dann noch den Pflasterverband und das Kortison wird wieder reduziert.
Für die nächste Woche sind noch MRT- und CT-Untersuchungen von Becken, Abdomen und Thorax, sowie ein Besuch beim Augenarzt geplant.

Ach ja, das Auge.

Vielleicht habe ich Glück und da tut sich noch was.
Zur Zeit sehe ich noch ein graues Riffelglas, und wenn man mir mit der Lampe in die Pupille leuchtet, einen ganz zarten hell-dunkel-Kontrast.
Wenn der Druck nicht zu lange auf dem Sehnerv war, und unter der OP er nicht noch zusätzlich zu viel abbekommen hat, könnte sich vielleicht wieder etwas regenerieren. Aber das braucht viel Zeit und geht jetzt in den Bereich der Spekulationen.

Die Aufnahmen in der nächsten Woche sind jedenfalls schon mal dazu da um Ausgangsbilder für die nächste Chemo zu haben. Denn so viel steht leider fest – die muss wohl sein.
Wenn ich da nichts mache, dann brauchen nur ein paar Tumorzellen in der Augenhöhle übrig geblieben sein (und davon kann man eigentlich ausgehen). Die wachsen nämlich schon jetzt wieder fleißig weiter und machen mir spätestens in vier Monaten das gleiche Problem. Mal abgesehen von den Dingern, die eh noch da sind.