Mittwoch, 17. Dezember 2008

Die chemische Keule

Am 2. Oktober 2007 wurde ich in der Uniklinik G. stationär aufgenommen und bekam ein nettes Einzelzimmer mit Balkon zum Park und eigener Nasszelle.
Es folgten die üblichen Aufnahmegespräche.
Das ist witzig.
Obwohl
sie dort über den Luxus verfügen und alles direkt in ihre Notebooks eintippen, scheint anschließend keiner auf diese Daten zuzugreifen. Der Vormittag ist damit ausgefüllt, dass man seine Geschichte X mal erzählen darf und regelmäßig nach Alter und Gewicht gefragt wird. Vielleicht haben sie aber auch nur Angst, es könne sich in den letzten 30 Minuten was geändert haben.

Nach einigen Bohrversuchen hatte der arme Kerl, der mir den venösen Zugang legen sollte, es doch geschafft. Kurze Zeit später tauchte die Stationsärztin mit einem Infusionsständer auf, der unter der Last an Beuteln und Infusomaten fast zusammenzubrechen drohte. Schnell war ich mit mehreren Schläuchen verbunden. Nebenbei erklärte mir die Ärztin den Ablauf der Therapie. Dabei erfuhr ich, dass es eine Faustregel für die Aggressivität der Chemotherapie gibt. Je aggressiver das Mittel, desto kräftiger wäre die Farbe der Infusion.
Dabei sah ich, wie aus dem schwarzen Beutel langsam die rote Flüssigkeit auf meinen Arm zu lief.

Am ersten Tag bekam ich einen Beutel von dem roten Adriamycin und einen Beutel Ifosfamid. Parallel dazu läuft ständig eine Kochsalzlösung und ein Medikament zum Schutz der Harnblase. Denn selbst beim Ausscheiden ist das Zeug noch aggressiv genug, um die Blase zu schädigen. Die Aktion dauert vier Tage. Danach geht’s für ca. drei Wochen nach Hause. In diesen drei Wochen werden regelmäßig die Blutwerte kontrolliert. Die vier Tage Stationsaufenthalt und die nachfolgenden drei Wochen Erholungsphase nennt man Zyklus. Meine Chemotherapie bestand aus vier Zyklen.

Das Zeug wirkt prompt.

Schon vor der ersten Infusion bekommt man ein Mittel gegen Übelkeit. Die setzt aber trotzdem ein. Da hilft es auch nicht wenn man weiß, dass sie überwiegend psychischer Natur ist.
Es war bei mir jetzt nicht so, dass ich ständig über der Schüssel hing. Aber das Gefühl hielt sich hartnäckig. Sobald ich aber das Krankenhaus verlassen hatte und mich wieder zu Hause befand, fühlte ich mich stündlich wohler.

Die Chemotherapie soll die sich schnell teilenden Krebszellen zerstören. Dabei macht sie keinen Unterschied, ob es Krebs- oder gesunde Zellen sind, wie z.B. Haare oder Schleimhäute. Die Schleimhäute sind relativ schnell weg. Der Mund wird trocken und der Geschmack lässt nach. Dafür wird man dort anfällig für Pilzerkrankungen und darf täglich mehrmals mit ekelhaftem Zeug spülen.
Die fehlenden Schleimhäute machen sich auch im Darm bemerkbar. Man hat das Gefühl Kieselsteine zu sch.....

Der gefürchtete Haarausfall kam etwa eine Woche später. Ich hatte es mir aber schlimmer vorgestellt. Schließlich hatte ich schulterlange Haare. Bevor ich wie ein gerupfter Hahn aussehen sollte, entschloss ich mich zur radikalen Methode und rasierte mir eine Glatze. Das wollte ich eh schon immer mal ausprobieren, hatte mich aber bisher noch nicht getraut. Gut, bei Männern ist das eine andere Sache. Schlimmer war für mich der fehlende Bart. Ich habe mich furchtbar nackt gefühlt.

Vor dem 2. Zyklus bestand ich darauf mir einen Port legen zu lassen. Das ist ein Katheter, der in eine große Vene gelegt wird. Am anderen Ende befindet sich eine Kammer mit einer Silikonmembran, die unter der Haut eingesetzt wird. So kann man mit speziellen Port-Nadeln durch die Haut in die Kammer stechen und so Infusionen anhängen ohne jedes Mal einen neuen Zugang legen zu müssen.

Die Vene im rechten Arm, durch den im 1. Zyklus die Chemo lief, fühlte sich noch Wochen danach fest an und war druckempfindlich. Der Port erleichtert zwar die Geschichte, aber viel wohler fühlte ich mich dabei nicht. Der Katheter liegt in einer Vene bis kurz vor dem Herzen. Nachdem ich spürte was das Zeug mit meiner Vene im Arm gemacht hat, wollte ich mir nicht ausmalen was mein Herz davon hält. Deshalb wird es auch regelmäßig mit Ultraschall und EKG überwacht.

Mit der Zeit entwickelte ich eine Abneigung gegen alles, was ich mit der Therapie direkt in Verbindung bringen konnte. Gerüche sind da eine üble Sache.
Das fängt schon beim Putzmittel mit dem die Zimmer gereinigt werden an.

Bei einem Zyklus lag ich mit jemandem in einem Doppelzimmer, der heimlich auf der Toilette rauchte. Der kalte Rauch wirkte wie ein Brechmittel. Um den zu übertünchen besorgte ich mir einen dieser Duftspender, die immer in der Werbung angepriesen wurden.
Mit diesem ekelhaften Zitrusduft braucht mir jetzt keiner mehr kommen.


Das Gleiche gilt für Lieblingsspeisen. Es wird empfohlen diese nicht während der Chemotherapie zu essen. Auch wenn der Mangel an Appetit dazu verleitet.

Ok, das Krankenhausessen reißt es auch nicht raus.
Ich will hier jetzt nicht grundsätzlich was gegen Krankenhausessen sagen. Es gibt wirklich Kliniken, die sich da nicht zu verstecken brauchen. Aber kann mir mal einer sagen, warum es in allen Abteilungen exakt das Gleiche zu essen gibt? Egal ob jemand auf der Gynäkologie liegt oder gerade an einer Chemo hängt. Es gibt bei allen Kartoffeln, Schwarzwurzeln und Leberkäse.

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