Montag, 29. Dezember 2008

Reha

Ich fasse hier mal beide Rehas oder Anschlussheilbehandlungen zusammen, da ich beide in der selben Klinik verbrachte und dort nicht wirklich was Spannendes passiert ist.

Der Antrag auf eine Rehaleistung ist durch die Unterstützung des Sozialdienstes der einzelnen Kliniken keine Herausforderung. Dann schon eher der Kontakt mit dem Sozialdienst selber.

In einer Klinik muss ich die Sozialarbeiterin irgendwie auf dem falschen Fuß erwischt haben.
Das fing schon mit der Begrüßung an. Mir sind Leute, denen einfach kein Lächeln über die Lippen kommen will, unheimlich. Bisher habe ich es noch immer irgendwann fertig gebracht. Aber diese Frau war wirklich eine harte Nuss. Als ich ihr erzählte, dass ich schon eine Chemotherapie hatte
und die anschließende Reha etwa ein halbes Jahr zurück läge, meinte sie gleich, dass ein erneuter Antrag ziemlich zwecklos wäre.

„Sie haben 10 Sekunden Zeit um zu entscheiden, ob Sie einen Antrag stellen wollen.
Denn ich habe keine Zeit.“

Lautete ihr Ultimatum.

Ich brauche ihr Gesicht sicher nicht beschreiben, nachdem ich mich für einen Antrag
entschieden hatte.

Auch wenn die Rentenversicherung mir keine vorrübergehende Erwerbsminderungsrente zahlen möchte. Bei den Rehaleistungen hat sie sich noch nicht lumpen lassen. Ich bekam bisher jede anstandslos genehmigt. Ok, es war noch keine dabei, die weiter als 30 km von
meinem Wohnort entfernt war. Landschaftlich also nichts Neues für mich. Das mit der Reha an Nord- oder Ostseeküste hat leider noch nicht geklappt.

Die Veranstaltungen selbst sind wohl fast überall gleich. Man bekommt sein Zimmer gezeigt und hofft beim ersten Gang zum Speisesaal einem Tisch mit netten Leuten zugewiesen zu werden. Die Hoffnung auf gleichaltrige Tischnachbarn schwindet schon beim ersten Betreten der Klinik. Am unangenehmsten sind mir Leute, die unentwegt über ihre Krankheiten sprechen, nur am Essen herum mäkeln oder mir unbedingt ein Gespräch aufdrücken wollen. Es gibt Leute, die beherrschen alle Disziplinen zusammen. Dann mutiere ich auch mal zum schweigsamen Einzelgänger.


Das Wichtigste ist für mich ein ruhiges Zimmer und eine Internetverbindung. Nein, ich bin nicht einer von denen, die sich nur in ihrem Zimmer verbarrikadieren. Es gibt Zeugen dafür, dass ich auch ausgedehnte Ausflüge gemacht habe. Wenn es dann noch ein Zimmer mit Balkon ist, auf dem man früh morgens schon einen solchen Ausblick haben kann, ist doch alles bestens.


Auf's Meer hätte ich natürlich auch gerne mal gesehen.

Über die Therapeuten kann ich nur sagen, dass sie durch die Bank weg alle super freundlich waren. Überhaupt bin ich dort keinem Angestellten begegnet, der kein Lächeln übrig hatte.
Das ist fast schon wieder verdächtig.

Auf jeden Fall habe ich die Wochen dort genossen. Ich hatte viel Zeit mich mal auf andere Sachen zu konzentrieren.

Mittwoch, 17. Dezember 2008

Die chemische Keule

Am 2. Oktober 2007 wurde ich in der Uniklinik G. stationär aufgenommen und bekam ein nettes Einzelzimmer mit Balkon zum Park und eigener Nasszelle.
Es folgten die üblichen Aufnahmegespräche.
Das ist witzig.
Obwohl
sie dort über den Luxus verfügen und alles direkt in ihre Notebooks eintippen, scheint anschließend keiner auf diese Daten zuzugreifen. Der Vormittag ist damit ausgefüllt, dass man seine Geschichte X mal erzählen darf und regelmäßig nach Alter und Gewicht gefragt wird. Vielleicht haben sie aber auch nur Angst, es könne sich in den letzten 30 Minuten was geändert haben.

Nach einigen Bohrversuchen hatte der arme Kerl, der mir den venösen Zugang legen sollte, es doch geschafft. Kurze Zeit später tauchte die Stationsärztin mit einem Infusionsständer auf, der unter der Last an Beuteln und Infusomaten fast zusammenzubrechen drohte. Schnell war ich mit mehreren Schläuchen verbunden. Nebenbei erklärte mir die Ärztin den Ablauf der Therapie. Dabei erfuhr ich, dass es eine Faustregel für die Aggressivität der Chemotherapie gibt. Je aggressiver das Mittel, desto kräftiger wäre die Farbe der Infusion.
Dabei sah ich, wie aus dem schwarzen Beutel langsam die rote Flüssigkeit auf meinen Arm zu lief.

Am ersten Tag bekam ich einen Beutel von dem roten Adriamycin und einen Beutel Ifosfamid. Parallel dazu läuft ständig eine Kochsalzlösung und ein Medikament zum Schutz der Harnblase. Denn selbst beim Ausscheiden ist das Zeug noch aggressiv genug, um die Blase zu schädigen. Die Aktion dauert vier Tage. Danach geht’s für ca. drei Wochen nach Hause. In diesen drei Wochen werden regelmäßig die Blutwerte kontrolliert. Die vier Tage Stationsaufenthalt und die nachfolgenden drei Wochen Erholungsphase nennt man Zyklus. Meine Chemotherapie bestand aus vier Zyklen.

Das Zeug wirkt prompt.

Schon vor der ersten Infusion bekommt man ein Mittel gegen Übelkeit. Die setzt aber trotzdem ein. Da hilft es auch nicht wenn man weiß, dass sie überwiegend psychischer Natur ist.
Es war bei mir jetzt nicht so, dass ich ständig über der Schüssel hing. Aber das Gefühl hielt sich hartnäckig. Sobald ich aber das Krankenhaus verlassen hatte und mich wieder zu Hause befand, fühlte ich mich stündlich wohler.

Die Chemotherapie soll die sich schnell teilenden Krebszellen zerstören. Dabei macht sie keinen Unterschied, ob es Krebs- oder gesunde Zellen sind, wie z.B. Haare oder Schleimhäute. Die Schleimhäute sind relativ schnell weg. Der Mund wird trocken und der Geschmack lässt nach. Dafür wird man dort anfällig für Pilzerkrankungen und darf täglich mehrmals mit ekelhaftem Zeug spülen.
Die fehlenden Schleimhäute machen sich auch im Darm bemerkbar. Man hat das Gefühl Kieselsteine zu sch.....

Der gefürchtete Haarausfall kam etwa eine Woche später. Ich hatte es mir aber schlimmer vorgestellt. Schließlich hatte ich schulterlange Haare. Bevor ich wie ein gerupfter Hahn aussehen sollte, entschloss ich mich zur radikalen Methode und rasierte mir eine Glatze. Das wollte ich eh schon immer mal ausprobieren, hatte mich aber bisher noch nicht getraut. Gut, bei Männern ist das eine andere Sache. Schlimmer war für mich der fehlende Bart. Ich habe mich furchtbar nackt gefühlt.

Vor dem 2. Zyklus bestand ich darauf mir einen Port legen zu lassen. Das ist ein Katheter, der in eine große Vene gelegt wird. Am anderen Ende befindet sich eine Kammer mit einer Silikonmembran, die unter der Haut eingesetzt wird. So kann man mit speziellen Port-Nadeln durch die Haut in die Kammer stechen und so Infusionen anhängen ohne jedes Mal einen neuen Zugang legen zu müssen.

Die Vene im rechten Arm, durch den im 1. Zyklus die Chemo lief, fühlte sich noch Wochen danach fest an und war druckempfindlich. Der Port erleichtert zwar die Geschichte, aber viel wohler fühlte ich mich dabei nicht. Der Katheter liegt in einer Vene bis kurz vor dem Herzen. Nachdem ich spürte was das Zeug mit meiner Vene im Arm gemacht hat, wollte ich mir nicht ausmalen was mein Herz davon hält. Deshalb wird es auch regelmäßig mit Ultraschall und EKG überwacht.

Mit der Zeit entwickelte ich eine Abneigung gegen alles, was ich mit der Therapie direkt in Verbindung bringen konnte. Gerüche sind da eine üble Sache.
Das fängt schon beim Putzmittel mit dem die Zimmer gereinigt werden an.

Bei einem Zyklus lag ich mit jemandem in einem Doppelzimmer, der heimlich auf der Toilette rauchte. Der kalte Rauch wirkte wie ein Brechmittel. Um den zu übertünchen besorgte ich mir einen dieser Duftspender, die immer in der Werbung angepriesen wurden.
Mit diesem ekelhaften Zitrusduft braucht mir jetzt keiner mehr kommen.


Das Gleiche gilt für Lieblingsspeisen. Es wird empfohlen diese nicht während der Chemotherapie zu essen. Auch wenn der Mangel an Appetit dazu verleitet.

Ok, das Krankenhausessen reißt es auch nicht raus.
Ich will hier jetzt nicht grundsätzlich was gegen Krankenhausessen sagen. Es gibt wirklich Kliniken, die sich da nicht zu verstecken brauchen. Aber kann mir mal einer sagen, warum es in allen Abteilungen exakt das Gleiche zu essen gibt? Egal ob jemand auf der Gynäkologie liegt oder gerade an einer Chemo hängt. Es gibt bei allen Kartoffeln, Schwarzwurzeln und Leberkäse.

Der erste Kontakt

Laut München war also eine Hyperthermie nicht notwendig. Warum, weiß ich aber nicht.
Trotzdem kam von dort der Therapievorschlag eine Chemotherapie mit Adriamycin und Ifosfamid durchzuführen.
Bevor diese in der Uniklinik G. beginnen konnte, war ein Vorgespräch mit dem Oberarzt der Abteilung geplant.

So hatte ich es mir allerdings nicht vorgestellt.

Mit eiserner Miene empfing mich Oberarzt Dr. R. (Diese änderte sich übrigens während des ganzen Gesprächs nicht).

Als erstes wollte er von mir wissen, welchen Kontakt ich zu seinem Vorgesetzten Herrn Professor G. habe. Ich weiß nicht, was die Antwort in ihm auslöste. Er musterte mich danach nur regungslos von oben bis unten.
Anschließend sollte ich ihm meine bisherige Krankengeschichte erzählen, da ihm keinerlei Unterlagen über mich vorliegen würden.
Dabei erwähnte ich kurz die Hyperthermie.

Da hatte ich was los getreten.


Der Nutzen einer Hyperthermie sei absolut nicht bewiesen. Da würde auch das Interview des Dr. Issels in einer medizinischen Fachzeitschrift nichts daran ändern. Es läge ja auf der Hand, dass er sich und seine Therapie dort nur im besten Licht zeigen wolle. Er jedenfalls glaube nicht daran. Und wenn dem doch so sei, so wäre ihm da wohl etwas entgangen, was er ebenfalls nicht glauben würde.

Krebspatienten greifen eben nach jedem Strohhalm. Egal ob eine Wirkung bewiesen ist, oder nicht.

Bong!

Mit einer solchen Aussage hatte ich vom Leiter einer Krebsklinik nicht gerechnet.

Da in der Zwischenzeit meine Unterlagen noch immer nicht aufgetaucht waren, wurde ein weiterer Gesprächstermin für die kommende Woche ausgemacht.

Noch auf dem Heimweg rief ich im Vorzimmer von Professor G. an und erkundigte mich nach dem Verbleib der Unterlagen. Mir wurde versichert, dass sämtliche Befunde bereits vor einer Woche per Fax an diesen Dr. R. geschickt wurden. Sie würde sich sehr gut daran erinnern, weil es insgesamt 27 Seiten waren.

Am selben Abend bekam ich einen Anruf von Herrn Dr. R.. Er habe sich die Unterlagen kommen lassen und wir könnten nächste Woche direkt mit der Therapie beginnen.

Sonntag, 14. Dezember 2008

Es wird mehr

Am 6. März 2007 befand ich mich wieder in der Klinik in L., und wurde bereits am nächsten Tag operiert.

Als ich wieder aufwachte, zierte meinen Bauch eine 24 cm lange Schnittwunde.
Insgesamt wurden vier Tumore entfernt. Der größte hatte einen Durchmesser von 12 cm und fand sich im Bereich der linken Niere. Die anderen hatten eine Größe von etwa 3 cm und waren im Abdomen verteilt.
Ansonsten war alles unauffällig.

Die Wundheilung verlief wie gewohnt problemlos, und ich konnte am 16. März das Klinikum wieder verlassen.

Lange hatte ich leider keine Ruhe.

Schon bei den nächsten Nachsorgeuntersuchungen wurden wieder Tumore entdeckt.
Es fanden sich multiple Raumforderungen verschiedener Größe. Die größten einzelnen Befunde fanden sich im rechten Nierenlager bis zu einer Größe von ca. 3 bis 4 cm. Auch darüber hinaus fanden sich multiple weitere Befunde vorwiegend in retroperitonealer Lokalisation, zum Teil in der hinteren Bauchwand, zum Teil in der Rückenmuskulatur. Zum Teil waren einzelne Befunde nicht sicher von Darmschlingen zu trennen. Auffällig waren auch multiple Veränderungen im Markraum der Knochen, im Bereich der Wirbelsäule und insbesondere in beiden Beckenschaufeln.
In der rechten Achsel sah man eine 6 cm große Raumforderung. Eine weitere 2 cm große Raumforderung zeigte sich an der Thoraxwand gelegen, wohl einer pleuralen Metastase entsprechend. Dazu kam ein hochgradiger Verdacht auf eine Knochenmetastase im ca. 8. Brustwirbelkörper.

Das war erst mal wieder ein Dämpfer. Mit einer solchen Verbreitung hatte ich nicht gerechnet.
Ich sah mich schon wieder auf dem OP-Tisch liegen.
Aber wie soll das denn alles operiert werden? Mit einer einzigen Operation ist das wohl nicht zu machen.

Mein Fall wurde bei einer Tumorkonferenz vorgestellt.

Wie schon befürchtet, waren es einfach zu viele zum Teil auch ungünstig gelegenen Tumore, um sie alle per Operation zu entfernen. Man entschied sich für eine Chemotherapie.
War nur noch die Frage zu klären, ob man die Chemotherapie mit einer Hyperthermie kombinieren soll. Dabei werden der ganze Körper oder einzelne Bereiche aufgeheizt. Die Tumorzellen sollen dann empfindlicher auf die Chemotherapie reagieren.

Anscheinend war mein Fall aber noch nicht drastisch genug. Aus München kam der Rat die Therapie konventionell durchzuführen.