Samstag, 29. November 2008

Wie alles begann


Schon eine Weile hatte ich diese Schwellung am rechten Oberschenkel.
Aber ich wäre kein Krankenpfleger, wenn ich deswegen sofort zum Arzt gegangen wäre.
Was kann das schon sein? Neulich war ich ungeschickt und hätte fast mein Mopped umgeworfen. Da hat sich beim Auffangen der Lenker des über 30
0 kg schweren Teils in den Oberschenkel gebohrt. Vielleicht ein Muskelfaserriss, ein dickes Hämatom? So was kann lange dauern.
Der dicke Oberschenkel sah blöd aus. Aber gestört hat er anfangs nicht. Nur ganz langsam und unauffällig wurde er dicker.

Im August 2005, also kurz nachdem ich das Pflegeheim meines Vaters übernommen hatte, ließ ich meinen Hausarzt mal drauf schauen.
Der schickte mich sofort in die nächste radiologische Praxis. Das CT zeigte ganz klar, dass es sich nicht um ein Hämatom handelte.
Eine andere radiologische Praxis, die über ein MR
T-Gerät verfügte, brachte Sicherheit. Es war ganz klar ein Tumor. Nur was für einer?


Ein paar Tage später wurde mir in der Uniklinik F. bei einer Operation eine Gewebeprobe aus dem Tumor entnommen. Doch die Pathologie konnte kein klares Ergebnis liefern. Der Verdacht auf ein Liposarkom bestand schon, aber festlegen wollte man sich nicht.
Ich konnte wieder nach Hause und sollte mich zum späteren OP-Termin, an dem man sich an den Tumor heran wagen wollte, wieder dort einfinden.

Irgendwie hatte ich ein komisches Gefühl.

Mein zukünftiger Schwiegervater stellte einen Kontakt zwischen einem befreundeten Professor und mir her.
Für den Professor war ganz schnell klar, dass ein Tumor dieser Größe in einem Tumorzentrum operiert werden sollte.
Noch in der gleichen Woche wurde ich in seiner Klinik für eine Reihe von Voruntersuchungen aufgenommen. Kurze Zeit darauf hatte ich meinen ersten Termin in der Uniklinik M., einem von europaweit zwei Zentren.

Das Spiel wiederholte sich. Mir wurde wieder eine Gewebeprobe entnommen, die Pathologie konnte sich nicht festlegen, und mir wurde ein OP-Termin mitgeteilt.
Aber hey! Es ist eines von zwei Zentren in Europa! Wer sollte es besser machen?

Gegen die Klinik kann ich absolut nichts sagen.
OK, ich lag in einem 4-Bett-Zimmer. Zwei der Bett-Nachbarn schnarchten nachts um die Wette. Aber die Nachtschwester schmiss eine Runde Ohropax.
Unser und das Nachbarzimmer waren durch die gemeinsam zu nutzende Nasszelle verbunden. Die versprühte den Charme eines Dixie-Klos. Der Hit war der Reinigungsdienst. Der schnappte sich einen Wischer, begab sich ins Dixie-Klo und begann dort wischend seinen Rückzug zur Zimmertür. Über die Reinigung der Nasszelle konnte ich nur Vermutungen anstellen. Wieso klebte jetzt dieses Schamhaar an der Wand neben der Duschwanne?
Von meiner ersten warmen Mahlzeit habe ich ein Foto gemacht. Vielleicht habe ich es noch – dann stelle ich es hier ein. Es sprach für sich, dass im Stationszimmer ein dicker Leitz-Ordner lag. Der war randvoll mit Angeboten von Essens-Lieferanten. Die gaben sich unten am Eingang die Klinke in die Hand.

Die Pflegekräfte waren spitze. Egal in welchen Kliniken ich in den letzten Jahren war, am Pflegepersonal kann ich nichts aussetzen. Vielleicht hat das aber auch was damit zu tun, dass ich selbst mal einer war. Außerdem bin ich grundsätzlich ein sehr geduldiger Mensch.
Bei den Ärzten ist es eigentlich fast überall das gleiche Bild. Je höher der Rang desto weniger Zeit haben sie. Die Distanz zum Menschen ist unterschiedlich.
Aber bevor das hier zu lange wird, sollte ich mal besser zur Operation kommen.

Im November 2005 wurde mir der Tumor im Oberschenkel komplett entfernt.
Noch bis zur Operation stand nicht fest, ob dabei das Bein amputiert werden muss. Groß genug war der Tumor und ungünstig gelegen war er auch. Außerdem wird vielerorts die Meinung vertreten, dass ein Liposarkom in den Extremitäten nur durch eine Amputation sicher entfernt werden kann.

Ich wachte mit zwei Beinen wieder auf.

Allerdings hatte man mir ein 21 x 20 x 7 cm großes Stück entfernt, und eine mit genau 60 Klammern verschlossene Wunde zierte die ganze Länge meines Oberschenkels.
Das hatte natürlich Auswirkungen ...

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