Freitag, 28. November 2008

Kapitän eines sinkenden Schiffes

Wenn unser Haus normal belegt gewesen wäre, hätte es wunderbar so weiter funktioniert.
Ich hätte brav mein Darlehen von 1,3 Mio. Euro abgezahlt und die Löhne pünktlich bezahlen können.
Jetzt hieß es durchhalten und einsparen wo es geht.

Es folgten unangenehme Gespräche mit Angestellten und der Bank. Die Bank setzte für drei Monate die Tilgungszahlungen aus und riet uns eine Lohnkürzung durchzusetzen. Das kam natürlich nicht gut an. Wurde gänzlich abgelehnt und mit Kündigung gedroht.

Meine Eltern zogen zu dieser Zeit aus ihrer Wohnung auf dem Altenheimgelände in ihr neu gebautes Haus. Das kam natürlich auch nicht gut an, und wurde entsprechend interpretiert.
„Wir bekommen nicht pünktlich unseren Lohn und der Chef baut ein neues Haus.“ machte die Runde.
Da war es auch egal, dass die Hütte durch ein Darlehen meiner Mutter finanziert wurde, die nun gar nichts mit dem Betrieb zu tun hatte.

Ich kündigte unseren angemieteten Laden, in dem der Medizin-Bedarf-Handel und unsere Büros untergebracht waren. Das Geld konnten wir sparen. Schließlich war ja die Wohnung frei geworden.

Die Belegung blieb schlecht. Die Löhne konnte ich nur noch verzögert zahlen, da ich immer erst auf die Zahlungen der Kostenträger warten musste.

Plötzlich stellte sich mir der neu gegründete Betriebsrat vor und bat um einen Gesprächstermin. Dabei wollten sie und ein Mitarbeiter von Verdi ihre Tätigkeit vorstellen.
Von wegen. Mir wurde direkt die Pistole auf die Brust gesetzt.
„Entweder sie zahlen am kommenden Montag den Rest der Löhne, oder wir melden Insolvenz an.“ war die Forderung die mir gestellt wurde.
Ich hatte Glück. Es wurden wieder Pflegegelder von den Kassen bezahlt und ich konnte die Löhne begleichen.

Direkt nach dem netten Gespräch mit dem Betriebsrat informierte ich meinen Ansprechpartner bei der Bank. Der sagte nur:
„Wenn ich Ihre Konten so anschaue, kann ich nur sagen – still ruht der See.“
Damit war das Gespräch beendet.

Eine Woche später machte der Betriebsrat wieder Druck und mein Anwalt riet mir selbst das Insolvenzverfahren zu beantragen. Gesagt, getan.

Kurz darauf rief mich der nette Mitarbeiter von der Bank von sich aus an. Er wollte mir mitteilen, wie enttäuscht er von mir sei. Wir hätten doch über alles reden können.

Ab jetzt übernahm der Insolvenzverwalter das Steuer und es wehte ein anderer Wind.
An allen Ecken wurde gekürzt, gestrichen und getauscht.
Viel wurde um strukturiert. Neue Ansätze wurde geprüft und wieder verworfen. Es folgten zwei Jahre in denen die einen Löcher gestopft wurden und andere wieder auf rissen. Der Pflegedienst wurde wegen Unrentabilität geschlossen, Bewohner des betreuten Wohnens wurden ins Altenheim übernommen.
Parallel dazu meine ständigen Therapien.

Für mich war besonders die räumliche Nähe zum Altenheim belastend.
Mein Schlafzimmerfenster lag so ungünstig, dass ich wunderbar die Gespräche des Personals bei deren Morgenzigarette auf dem Balkon mitbekommen konnte. Sehr gut kam ich dabei nicht gerade weg.
Für einige war klar, dass ich schon früh genug meine Schäfchen ins Trockene gebracht haben muss.
Das meine Konten von der Bank gesperrt wurden und ich der Erste war, der keinen Lohn mehr bekam, glaubte keiner. Das ich meinen Rentenfond auflöste um Geld zum Leben zu haben hatte niemanden zu interessieren.
Im Ort gingen zwei Meinungen umher. Die einen meinten, dass der Betrieb seit meiner Übernahme den Bach runter ging. Zeitlich gesehen war das sogar richtig. Die anderen schimpften auf meinen Vater, der mir einen so maroden Betrieb aufgehalst hat.

Am liebsten hätte ich mich in irgend ein Loch verkrochen.

Während ich mal wieder eine Rehabilitation absolvierte erhielt ich die Info, dass der Insolvenzverwalter auch auf lange Sicht hin keine stabile Situation sieht. Er würde den Betrieb nur deshalb noch am Laufen halten, weil ich wegen meiner Erkrankung zur Zeit schon genügend Stress hätte.
Noch am Tag der Entlassung aus der Reha machte ich einen Termin bei dem Insolvenzverwalter und besprach die Schließung der Firma. Wie heißt es so schön?
„Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.“

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